Die Schönheiten der Heimat gemeinsam neu entdecken

12 Jul. 2012

Eppsteiner Zeitung vom 12.7.2012

Die Schönheiten der Heimat gemeinsam neu entdecken

Zwei Dutzend Wanderer aus dem gesamten Main-Taunus-Kreis trafen sich am vergangenen Mittwoch am Eppsteiner Bahnhof, um die Wälder rund um die Burgstadt, Kelkheim und Lorsbach gemeinsam mit Landrat Michael Cyriax zu erkunden. Der ehemalige Eppsteiner Stadtarchivar Dr. Bertold Picard und der Kreisheimatpfleger Bert Worbs führten die Gruppe.
Die Idee zu den sommerlichen Wanderungen hatte der Landrat von seinem Vorgänger Berthold Gall übernommen.

Er lud zu Beginn dazu ein: „Gemeinsam unsere Heimat neu zu entdecken“. Der Bergpark Villa Anna, angelegt als Sommerfrische für die Frankfurter Bankiersfamilie Neufville, war dazu der richtige Ort. Dank der Geschichten und Anekdoten von Dr. Picard tauchten die Besucher tief in eine untergegangene Welt des ausgehenden 19. Jahrhunderts ein.
Vorbei am Kutscherhaus, in dem einst die sieben Pferde der Neufvilles standen, ging es zur Villa Anna. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts war beim Bürgertum die Idee aufgekommen, Arbeit und Freizeit räumlich zu trennen – eine Ausnahme waren einzig die Fabrikantenvillen. Alfred von Neufville und seine Frau Anna bauten ihre Villa auf der schattigen Seite Eppsteins in Nordlage oberhalb des Bahnhofs. Der Bauplatz bot die damals geschätzten Anknüpfungspunkte an die Landschaft: Die Neufvilles konnten das fulminante Panorama über Rossert und Staufen in den Hochtaunus genießen, aber auch historische Bezüge zur Altstadt mit Burg bis hin zu den Türmen der Burgen von Königstein und Falkenstein fehlten nicht.
Wie ein begehbares Landschaftsgemälde sei der Bergpark angelegt, erzählte Picard, als er mit der Gruppe steil hinauf zum Jähenberg stieg. Auf verschlungenen „Bretzelwegen“ ging es zum Aussichtspunkt über der Villa Anna, den Dr. Picard „Kaiserstuhl“ nannte. Erst vor sechs Wochen hat der unermüdliche Geschichtsforscher diese Bezeichnung in alten städtischen Akten gefunden. In den ersten Jahren musste das romantische Plätzchen über der Villa Anna als Eppsteiner Attraktion für die vielen Eppstein-Touristen zugänglich sein. Alfred von Neufville löste dieses Recht einige Jahre später mit einer größeren Summe ab, weil ihn die Fremden in seinem Park störten. In der Nähe des Kaiserstuhls standen mehrere reetgedeckte Pavillons, wie Picard inzwischen weiß. Als Mitglied im Förderkreis Bergpark Villa Anna träumt er davon, sie könnten „im Laufe der Jahrhunderte wieder aufgebaut werden.“
Hinter dem Taubenhaus lag die Meierei der Neufvilles, die auf dem Jähenberg Schweine und Ziegen hielten. Die als besonders gesund geltende Ziegenmilch ließen die Hausherren auf dem Balkon ihres Hauses den illustren Gästen ausschenken. Alternativ gab es Sekt aus dem Hause Mumm. Schließlich war Anna eine geborene Mumm-von Schwarzenstein mit verwandtschaftlichen Beziehungen zu der Sekt-Dynastie.
Spätestens bei dem kurzen Stopp am Neufville-Turm, wo die Wanderer von Pächter Ralph Dihlmann empfangen wurden, kam nicht nur beim Landrat der Wunsch auf, den Bergpark in nächster Zukunft ein weiteres Mal zu besuchen. Cyriax sieht die sommerlichen Wanderungen als Chance, die Besonderheiten der Städte und Gemeinden im Kreis bekannter zu machen. Im Fall von Eppstein ist das gelungen: „Es ist überhaupt erstaunlich, was es hier zu entdecken gibt“, sagte Gabriele Köhler aus Niederhöchstadt über den Bergpark. Dr. Karl-Josef Sabel aus Hofheim hatte ihn als junger Geowissenschaftler kennengelernt. Damals hatte er die Geschichte der Landschaft entschlüsselt, diesmal habe er die Kulturgeschichte kennengelernt, sagte er erfreut. Eva Ott aus Kelkheim plant, öfter in der Region zu wandern. Sie strahlte, weil sie ihr Repertoire an Wanderwegen erweitert hat, auf denen sie sich auskennt.
Die Büsten im Kaisertempel, dem nächsten Ziel der Wanderung, hat Alfred von Neufville gestiftet. Dort oben empfingen Dr. Gerold Lignau, Marga Weber und Gerd Kürschner vom Eppsteiner Verschönerungsverein die Wanderer um den sichtlich entspannten Landrat mit Getränken. Eine Rast konnten alle gut gebrauchen, bevor es über den Mannstein mit der Gagern-Gedenkstätte in Kelkheimer Gemarkung zur Einkehr in die Waldgaststätte Gundelhard ging. Vom Bahnhof in Lorsbach aus fuhren alle zu ihrem Ausgangspunkt nach Eppstein zurück. sp