Mit dem Stethoskop hören Kinder die Bäume wachsen

13 Aug. 2009

Eppsteiner Zeitung vom 13.08.2009

„Das riecht ja nach Zitrone“ stellte die siebenjährige Luise fest, als Dr. Carina Scherbaum-Heberer ihr eine der Nadeln unter die Nase hielt, die sie zuvor mit dem Fingernagel angeritzt hatte. „Dieser Geruch unterscheidet die Douglasie, vor der wir gerade stehen, von der Fichte“ erklärte Dr. Scherbaum-Heberer. Sie führte am vergangenen Samstag eine kleine Gruppe mit Kindern durch den Bergpark Villa Anna.

Wer eine nüchterne Führung erwartet hatte, der wurde angenehm überrascht. Die Biologin führt oft Kinder und Jugendliche, meistens im Senckenbergmuseum. Sie möchte die Kinder spielerisch für die Natur begeistern. „Ich hatte früher Lehrer, die uns so schrecklich sachlich die Biologie beigebracht haben, ich möchte den Kindern die Natur begreifbar machen“, meinte Scherbaum-Heberer und bückte sich, um den Kleinen die Ableger eines Ahorns zu zeigen, die unter dem großen Baum wachsen.
Gerade zuvor hatte sie die geflügelten Samen fallen lassen, die sich auf ihrem Weg zum Boden wie kleine Propeller drehten. Luise konnte mit ihren sieben Jahren schon souverän die trockenen Blätter am Boden dem Ahorn zuordnen. Die Kleinen hörten aufmerksam zu.
Den Abstecher vom Senckenbergmuseum nach Eppstein verdankte der Förderkreis des Bergparks der Bekanntschaft mit Mitglied Martin Alberts, der die Biologin auf die Idee einer Kinderführung im Rahmen der monatlichen Veranstaltungen brachte. Außerdem wohnt Carina Scherbaum-Heberer seit einigen Jahren in Alt-Eppstein. Deshalb war am Samstag auch Tochter Cosima dabei, die ihre Mutter kritisch begleitete: „Gerade hast du gesagt, der heißt Borke“ bemängelte die Fünfjährige als ihre Mutter die Buche zeigte. Das Missverständnis war schnell geklärt und die Buche als Namensgeberin für Buchstaben und Bücher gewürdigt.
Auf der kleinen Wanderung durch den Bergpark streichelten die Kinder Blätter und Baumrinden. Auch das Blut der Bäume, das Harz, wurde vorsichtig angefasst und als sehr klebrig erkannt. Die Kinder forschten mit allen Sinnen und vertieften die gelernten Zusammenhänge spielerisch. Scherbaum-Heberer erklärte, wie sich die Bäume ernähren, wie sie wachsen und sich vermehren.
Dann ließ sie die Kinder das Leben eines Baumes nachspielen. Da wurde Sonnenlicht für die Photosynthese gefangen. Das Wasser stieg von den Wurzeln bis in die Krone. Die Mischung aus Spiel und Fakten vermittelte jede Menge Wissen. Die Eltern waren am Ende überrascht, wieviel die Kinder behalten hatten.
Anfassen und erleben waren die wichtigen Elemente auf dieser Wanderung. Ein Baum wurde mit dem Stethoskop abgehört und alle lauschten, wie das Wasser hinter der Rinde hochstieg. Sie hörten ein Rauschen, ähnlich dem mal leiser, mal lauter werdenden Geräusch vorbeifahrender Autos. „Weil das Wasser in den Bäumen nicht viel höher als 120 Meter steigen kann, wachsen sie nicht in den Himmel“ erklärte Scherbaum-Heberer.
Zusammenhänge wurden klar. Die Kinder erfuhren, wie wichtig Bäume für das Leben auf der Erde sind, weil sie das Kohlendioxid in Sauerstoff wandeln, den die Menschen zum Atmen brauchen.
Die zwei Stunden vergingen wie im Flug, auch die Erwachsenen hatten viel Spaß dabei. In den Gesprächen nach dem Rundgang nahm die Idee einer Familienführung Gestalt an: Dann werden nächstes Jahr nicht nur die Kinder fasziniert um einen Baumstumpf hocken und die Jahresringe zählen. ffw

Zum Artikel